Mittelistrien im Nebel
Auf der Suche nach der Sonne
Samstag – Früh um 07:00 Uhr fahren wir ins Landesinnere zur Kapelle von Beram. Leider sind das Wetter und – schlimmer noch – das Licht sehr bescheiden. Wir entscheiden, nicht zu drehen. Die Kapelle liegt schön im Wald und bietet tolle Motive – bei dem blaugrauen Licht kommt aber nichts zur Geltung. Ratlosigkeit macht sich breit und wir beschließen, erstmal nach Pazin weiterzufahren. Doch dort das gleiche Bild: nasskalt und nebelig. Nach einer kurzen Pause im Café beschließen wir, Ruinen zu drehen, die bei dieser Beleuchtung besser zur Geltung kommen. Oprtalj heißt der unaussprechliche Ort der Wahl.
Auf dem Weg dahin kommen wir an Motovun vorbei. Hier bietet sich ein herrlicher Ausblick auf Stadt und Tal. Mit Hilfe einer Reihe von Schilfpflanzen vor einem Weinberg camouflieren wir die Lichtstimmung etwas und Julien macht ein paar Aufnahmen.
Anschließend besichtigen wir Motovun. Der Ort ist so schön und liegt so toll auf dem Berg mit entsprechenden Aussichten, dass wir beschließen, die Motive nicht bei schlechtem Wetter zu „verschießen“. Nach einer kurzen Motivbesichtigung für einen späteren Dreh folgt die Weiterfahrt nach Oprtalj. Auf dem Weg dorthin fahren wir durch den Ort Livade, wo der Trüffelproduzent „Zigante“ mit Produktion und Restaurant ansässig ist.
Hinter Livade wird die Landschaft dramatisch. Durch einen wunderbaren istrianischen Wald, der jetzt im Winter optisch besonders reizvoll ist, windet sich die Straße in die Höhe. Oprtalj oder Portole, so der italienische Namen, liegt auf einem Höhenrücken auf 378 Metern.
Dieser Rücken geht wie von einer T-Kreuzung von der Bergwand ab, die hinter Livade liegt. Die Ortschaft Oprtalj ist eine merkwürdige Mischung aus Ruinen, renovierten Häusern und Bestandshäusern. Nachdem man durch einen Torbogen in den Ortskern
eingetreten ist, geht es einige Meter über einen kleinen Platz. Dieser geht in eine Gasse über, die zwischen Ruinen verläuft und in einem Bogengang auf den Hauptplatz führt. Trotz des immer noch schlechten Lichtes können wir hier einige Bilder machen. Vor allem aber bietet sich hier eine tolle Vorstellung für die Tonspur: Kurz nach den ersten Aufnahmen kommt ein Fischverkäufer in den Ort gefahren.
Mit lauter Musik über Lautsprecher und gelegentlichen „Ribe, Ribe“ – „Fisch Fisch“ – Rufen versuchen er und eine Begleiterin Käufer zu locken. Zuerst kommen die Katzen danach keiner mehr. Die Szenerie passt zum Ort. Wir sind noch nicht im zweiten Tordurchgang, als das Glockenwerk der Domkirche zu läuten beginnt. Ein wundervoller Klang, der durch die Gassen hallt.
Es kommt aber noch besser: Nachdem das Läuten verklungen ist, hören wir noch minutenlang die Mechanik des Uhrwerks klicken. Ein schöner, hölzerner Ton. Darüber hinaus gibt es noch einige Bildmotive am zentralen Platz. Nach etwa 1,5 Stunden verlassen wir den Ort wieder.
Auf dem Hinweg hatten wir einige für Istrien typische Straßenbegrenzungssteine gesehen, die ein hübsches Motiv abgeben. Pino erklärt, dass einige davon noch aus römischer Zeit stammen. Wir machen unsere Bilder, dann geht es wieder die Straße hinunter nach Livade.
„Einiger diesesr Straßenbegrenzungssteine stammen noch aus römischer Zeit.“
Die Aussichten auf Motovun sind immer noch sensationell, aber leider bei dem Licht nicht bildtauglich. An der Kreuzung zur Hauptstraße biegen wir links ab, Richtung Buzet.
Unser nächstes Ziel ist Hum, italienisch Colmo – der Ort, von dem es heißt, er sei die kleinste Stadt der Welt – und wahrlich, es sind nicht mehr als zwei Gassen. Die Gemeinde verfügt aber inklusive Gefängnis über alle Errungenschaften einer Stadt, daher die Einstufung. Die „Stadt“ Hum ist auch wichtig in Bezug auf die glagolitische Schrift: Ihr Stadtor die Humska Vrata bildet sozusagen den Endpunkt der glagolitischen Allee, einer Skulpturenstrasse aus glagolitischen Buchstaben, die dieser, der ältesten slawischen Schriftart gewidmet sind. Bevor wir jedoch nach Hum kommen, biegen wir rechts ab in Richtung der Mühle von Kotli. Sie liegt am längsten Fluss Istriens, der Mirna, die in der Nähe
von Hum entspringt. Der Weg nach Kotli führt durch ein herrliches Tal, das dem Auge immer wieder liebliche Ausblicke bietet. Ein wenig erinnert es an ein Alpenhochtal mit Mattenwiesen. Im Sommer muss es hier ganz besonders herrlich sein – vorausgesetzt, es gibt so wenig Insekten wie jetzt. Die Straße ist gesäumt von einer merkwürdigen Erdformation. Es scheint sich um eine durch Regen herbeigeführte Erosion zu handeln, die die Erde verdichtet und sehr gerade Abflussrinnen hinterläßt. Bei Kotli windet sich die Mirna durch ein flaches, schönes Flußbett und stürzt dann dramatisch über mehrere Treppen, in einen ausgewaschenen Kalkkessel, eine Gumpe, um dann als tieferer Fluss ihren Lauf weiter zu verfolgen. Ein kleiner Pfad führt in den Kessel, wo sich auf halber Höhe ein zur ehemaligen Mühle gehörendes Gebäude befindet. Es war vermutlich das Mühlhaus selbst, denn die Achsen der zwei Mühlräder führen hinein.
Wir verbringen etwa eine Stunde mit Aufnahmen in Kotli, bevor es weiter geht Richtung Hum. Es ist jetzt 16:00 Uhr und das Licht ist endlich etwas freundlicher geworden. Kurz bevor wir zur einer Station der Allee der glagolitischen Buchstaben kommen, sieht Pino links der Strasse auf dem Vorplatz eines Hofes zwei Männer, die dabei sind, Stöcke anzuspitzen. Diese werden in den Weinbergen in die Erde gerammt zu werden, um den Rebstöcken Halt zu geben.
Wir drehen schöne Bilder von der Arbeit der beiden Männer und werden dann zu einem Glas Wein eingeladen. Die Freundlichkeit, Offenheit und Gastfreundschaft mit der man uns überall begegnet, ist erstaunlich – und wird noch am Abend dieses Tages eine neue Dimension erfahren.
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